Liebe Mami!
Es war kurz vor Weihnachten und ich wurde im Rahmen meiner Facharztweiterbildung gerade auf der Intensivstation eingearbeitet. Es war ein Tag, an dem mir klar wurde, dass ich nicht für die Intensivstation geeignet bin.
3 Ertrinkungsunfälle in 2 Tagen.
1 Kind ertrank in einem eigentlich abgezäunten Urlaubsteich (es rutschte unbeabsichtigt den verschneiten Hang herunter, direkt durch eine Lücke im Zaun, in den kalten Teich), zwei Kinder zuhause in der Badewanne. In allen drei Fällen haben die Eltern ‚nur mal kurz‘ weggeschaut, es traf sie in dem Sinne keine Schuld und dennoch müssen sie für den Rest ihres Lebens mit dem tiefen Schmerz des Verlustes eines geliebten Kindes und den damit verbundenen Schuldgefühlen leben.
Da jetzt die Badesaison losgegangen ist, habe ich das starke Bedürfnis mit dir über Ertrinkungsunfälle bei Kindern zu sprechen. Wie du aber an meinen obigen Beispielen siehst, ist Wasser nicht nur zur Badesaison lebensgefährlich, sondern auch im Winter, auch zuhause – auch dann, wenn ein 5 jähriges Geschwisterkind mit in der Badewanne sitzt und dich rufen könnte, falls das kleinere Kind untertaucht.
Das Gefährliche ist einfach:
es reichen wenige Sekunden und dein Kind ist untergetaucht. Ein Blick auf das Handy, ein kurzes Gespräch mit einer Freundin – selbst wenn du in eine Biene steigst und mit den Schmerzen in deiner Fußsohle beschäftigst bist, kann es für dein Kind zu spät sein. Kinder ertrinken eben nicht lauthals schreiend, mit den Händen in der Luft wedelnd, sondern still und heimlich, ganz alleine, inmitten der Menschenmenge.
Ertrinkungsunfälle sind eine Tragödie und enden oft tödlich, deshalb möchte ich dich dafür sensibilisieren, denn die Rettung deines Kindes liegt in deiner erhöhten Aufmerksamkeit dafür, dass jedes ‚Gewässer‘ zum Ertrinkungstod führen kann- und vielleicht rettest du sogar eines Tages ein anderes Kind, dessen Eltern, aus welchen Gründen auch immer, nicht rechtzeitig zu Hilfe eilen können.
16 Dinge, die du über Ertrinkungsunfälle wissen solltest:
1. Kinder ertrinken still und leise, du darfst nicht damit rechnen, dass du sie hören oder sogar dabei sehen kannst, daher musst du zu jeder Zeit wissen wo dein Kind ist und was es macht. Sicherheitshalber ist das Handy in solchen Situationen immer aus.
2. Es wird auch nichts bringen, wenn du deinem Kind erklärst, dass es schreien und Handzeichen geben soll, wenn es Probleme gibt. Beim Ertrinken werden Instinkte aktiviert, die das Überleben des Kindes sichern sollen. Je stärker der Unterschied zwischen Körper- und Wassertemperatur ist, je mehr Haut in Kontakt mit dem Wasser ist, desto intensiver ist die ausgelöste Überlebensreaktion des Atmungs-, Kreislauf-, Muskel- und Nervensystems. Das ist auch der Grund, warum das Kind still und leise ertrinkt: der Körper möchte das Kind schützen, indem es sich komplett auf die Atmung/Abhusten fokussiert und das Schwimmvermögen damit ausschaltet. Das ertrinkende Kind hat keine Kraft, um nach Hilfe zu rufen, Schwimmbewegungen zu machen oder Handzeichen zu geben.
3. Ein Kind kann auch in der Badewanne oder in flachen Gewässern mit wenigen cm Wasserpegel ertrinken. Theoretisch muss das Wasser nur so hoch sein, dass Mund und Nase gleichzeitig eintauchen können.
4. Verlass dich niemals auf den Zaun, der z.B. einen Teich umgibt!
5. Wenn du deine Kinder in der Badewanne plantschen lässt, bitte überlasse nie die Verantwortung für ein kleines Kind bei dem größeren Kind (‚Passt du bitte kurz auf, ich muss nur schnell…‘)!!! Du weißt nicht, ob das große Kind in der Lage ist zu reagieren und jede annähernd gefährliche Situation kann das ältere Kind schwer traumatisieren.
6. Du solltest jedes Jahr 1-2 Erste-Hilfe-Kurse besuchen.
7. Du darfst dein Kind nie aus den Augen lassen.
8. Verlass dich nicht darauf, dass dein Kind ein guter Schwimmer ist, insbesondere die starken Strömungen des Meeres können auch erfahrene Erwachsene überraschen.
9. Verlass dich nicht auf Schwimmhilfen. Die größte Gefahr die von Schwimmhilfen (egal welche!!) ausgeht, ist, dass du denkst, dein Kind ist in Sicherheit!
10. Je kleiner das Kind ist, desto größer ist sein Kopf. Das bedeutet, dass der Schwerpunkt seines Körpers verlagert ist (im Gegensatz zum größeren Kind) und das Kind im Wasser Probleme hat, in Balance zu bleiben. Sie können (auch mit Schwimmhilfe) umkippen, untertauchen und schaffen es nicht selbst wieder, sich umzudrehen!
11. Dein Kind sollte lernen im Schwimmbad nicht in der Nähe vom Beckenrand zu laufen! Viele Unfälle passieren durch das Hineinfallen in das Wasser.
12. Dein Kind sollte nicht vom Beckenrand ins Wasser springen. Es könnte jemand anderen bewusstlos ‚springen‘ oder selbst mit dem Kopf eine Verletzung erleiden. Auch Bauchplatscher können über die ‚Bauchnerven‘ zur Bewusstlosigkeit führen!
13. Dein Kind muss frühzeitig schwimmen lernen, behalte dennoch im Kopf, dass die Hälfte der 9-11 Jährigen Kinder nicht sicher schwimmen kann!
14. Übe mit deinem Kind das schwimmen in stillen aber auch in bewegten Gewässern. Erst wenn sie Respekt vor dem Wasser haben, wenn sie verstehen, dass Wasser nicht gleich Wasser ist, können sie ihr Schwimmverhalten an das Gewässer anpassen.
15. Sichere alle Wasserstellen in der Umgebung, auch Pfützen können für kleine Kinder gefährlich sein!
16. Bringe deinem Kind Regeln bei, die es im oder in der Nähe von Wasser einhalten soll (Achtung: Geschwisterstreit kann dafür sorgen, dass alle Regeln total in Vergessenheit geraten!): niemanden untertauchen, niemanden ins Wasser werfen, immer in der Nähe der Aufsichtsperson bleiben, nicht rennen.
Was für ein Thema.
Aber es ist wichtig zu wissen, wie gefährlich Wasser ist, damit wir unsere Aufmerksamkeit, wenn unsere Kinder in der Nähe von Wasser sind, nicht durch unwichtige Dinge von unseren Kindern nehmen. Egal ob daheim oder im Schwimmbad.
Gab es im Wasser schon Schreckensmomente für dich?
Deine Desiree
P.S.: Hier kannst du dir den Beitrag als Podcast anhören.