Liebe Mami!
wie du weißt, ist sie eines meiner großen Herzensthemen, die Achtsamkeit.
(Falls du das lieber hören willst, klicke hier)
Manchmal habe ich das Gefühl, dass jeder meint ‚so eine Ahnung‘ davon zu haben, was Achtsamkeit ist und doch die wenigsten sich die Zeit nehmen, sie wirklich bewusst zu erfahren. Der eine ahnt, dass es was mit dem Buddhismus zu tun hat, der nächste ahnt, dass Achtsamkeit ‚nur‘ so ein Hype der Moderne ist. Wiederum ein anderer meint, dass man durch Achtsamkeit der Gleichgültigkeit zum Opfer fällt, sie einen zu einem spirituellen Zombie macht und die meisten denken, Achtsamkeit hat irgendwas mit Entspannung zu tun.
Was ist Achtsamkeit eigentlich?
Eigentlich ist sie eine Erfahrung. Eine besondere Erfahrung des HIER UND JETZT. Gleichzeitig ist sie ein Lehrer. Achtsamkeit lehrt, wie man die Aufmerksamkeit auf den aktuellen Moment lenkt, sowohl für angenehme als auch für unangenehme Erfahrungen und Situationen. Achtsamkeit zeigt und lehrt uns zu akzeptieren, dass nichts dauerhaft ist, dass alle Ereignisse, Erfahrungen und Situationen kommen und gehen.
Durch Achtsamkeit, wird der Drang, festzuhalten oder zu versuchen, Dinge zu ändern, geringer. Sich einem Moment achtsam zu nähern heißt, dass man von eigenen Erwartungen loslässt. Loslassen macht frei. Stell dir mal vor, du könntest all das, was dich belastet, in diesem Moment, einfach mal loslassen. Die Ruhe in dir mal wieder wahrnehmen.
Und genau das ist der heilsame Kern der Achtsamkeit: Achtsamkeit verfolgt kein Ziel.
Sie verfolgt weder das Ziel der Entspannung, noch das der Gedankenlosigkeit. Achtsam zu sein bedeutet, offen für den Moment zu sein. Um offen für den Moment zu sein, darf man die Bereitschaft haben, die Gedanken, die einen ja doch so oft daran hindern, den Moment überhaupt wahrzunehmen, ziehen zu lassen. Achtsamkeit bedeutet wahrzunehmen, wie ruhig das Meer unter all den Wellen ist.
Durch Achtsamkeit zaubern wir nicht die Wellen (Ängste z.B.) weg, wir tun auch nicht so, als wären sie nicht da. Wir fokussieren einfach auf das, was wir wahrnehmen, wenn wir unsere Gedanken und Gefühle nicht festhalten, sondern loslassen. Dann entsteht nämlich ein Raum. Eine Pause. Man sieht ihn immer klarer, je geübter man ist.
Dieser Raum liegt jenseits von Bewertungen.
Was sind Bewertungen?
Der Mensch ist dafür gemacht, ständig alles zu bewerten und kategorisieren. Das hilft ihm im Endeffekt, sicher von unsicher zu entscheiden und sein Überleben zu garantieren. Wir bewerten ständig: ist uns jemand sympathisch? Benimmt sich ein Kind richtig? War der Mathetest schwer? Fühlen wir uns wohl, wenn es regnet?
Ich möchte mit dir ein Beispiel durchgehen. Es wird dir zeigen, dass wir vielleicht auf bestimmte Situation keinen Einfluss haben (wie jetzt die Corona-Krise) – aber das wir doch einen Einfluss darauf haben, wie wir eine Situtation interpretieren und damit ERLEBEN.
Dein Zug hat Verspätung.
Du kannst schlichtweg nichts daran ändern. Die Situation ist, wie sie ist. Du bewertest es allerdings negativ, du reagierst darauf mit Stress. Wenn du es nun schaffst, eine Haltung der Akzeptanz einzunehmen, deine Frustrationsgefühle zu akzeptieren, heisst das nicht, dass du es toll findest, dass der Zug zu spät kommt (weil du vielleicht ein wichtiges Interview hast!), du kannst, wenn es Sinn macht, immer noch eine Beschwerde einreichen und dein Geld zurückverlangen. Dennoch kannst du dich dazu entschieden, deine Gefühle in Bezug auf den verspäteten Zug anzunehmen, um dabei vielleicht den Raum hinter den Gefühlen zu erkennen und vielleicht denkst du dir ja sogar ‘ok, ich kann jetzt sowieso nichts dran ändern, ich mache mal die Achtsamkeitsübung, die ich mir heute vorgenommen habe, nachher wird es schwer, sie durchzuführen, weil die Kinder dann auf meinem Schoss rumhüpfen!’.
Was Achtsamkeit heutzutage besonders wertvoll macht?
Die Corona-Krise hat bei vielen Menschen Stress ausgelöst. Eigentlich ist es gar nicht das Coronavirus. Die Bewertung als ‚Krise‘ entsteht dadurch, dass der Mensch sein Leben, das vielleicht nicht Coronatauglich ist, bedroht sieht. Wie stark sich jemand durch das Virus (und seine Folgen) bedroht fühlt, bestimmt im Endeffekt, wie stark es sich für diejenige Person als Krise anfühlt.
Hier siehst du nochmal, dass vor allem die BEWERTUNG einer Situation, die Situation so schwierig macht. Ich will an dieser Stelle niemandem seine Gefühle absprechen. Es ist alles in Ordnung, was du fühlst! Du musst auch nicht fröhlich tanzend durch deinen ruinierten Alltag hüpfen. Du musst gar nichts. Du kannst – WENN es sich stimmig für dich anfühlt.
Viele Menschen haben jetzt existenzielle Ängste: sie wissen nicht, wie es finanziell weiter geht, sie machen sich Sorgen um ihre Gesundheit oder um die Gesundheit ihrer Liebsten. Die Einschränkungen, die nach der Corona-Krise ausgesprochen worden sind (Lockdown, Schulschluss etc.) zwingt Familien in eine dauerhafte Nähe mit ganz neuen Routinen.
Das Zusammenleben ist manchmal anstrengend. Die Konflikte, der fehlende Ausgleich, die Lautstärke, die Unordnung, die fehlende Befriedigung durch den Beruf, die fehlenden Kontakte mit Freunden – all das ist wahnsinnig anstrengend. Das Hier und Jetzt scheint es manchmal nicht gut mit einem zu meinen.
Und hier lohnt es sich, nochmal hinzusehen: Ist das Problem wirklich das Hier und Jetzt? Vielmehr ist es unsere Bewertung des Hier und Jetzt. Wir bewerten sie mit Angst, mit Sorge, mit Stress usw. Gleichzeitig sind wir aktuell meistens sowieso gedanklich in der Zukunft. Wir würden so gerne planen, wir würden gerne wissen, wie es weiter geht, wir Menschen haben von Natur aus, das Bedürfnis, Dinge unter Kontrolle zu haben. Bis zu einem gewissen Grad, ist es normal, dass das Kontrollbedürfnis befriedigt werden muss, denn Kontrolle gibt uns Sicherheit.
Momentan haben wir Eltern vieles, außer die Kontrolle über das, was morgen oder übermorgen oder in den nächsten Wochen passiert.
Was wir aber durchaus haben, ist die Kontrolle über das Hier und Jetzt. Wir können uns immer wieder dazu entscheiden, zumindest zu versuchen, den ganzen Ballast abzuwerfen, den wir gerade schultern.
Ich möchte nur betonen, dass zwei Menschen in gleichen, auch ausweglos erscheinenden Situationen, ganz verschieden reagieren können, und wie, das hängt von ihrer Bewertung der Situation ab!
Achtsamkeit ist dein Freund, dein Helfer.
Mit ihr tauchst du immer wieder ab in das Hier und Jetzt. Weg von den Lastern der Vergangenheit, geschützt von den Sorgen über die Zukunft. Im Hier und Jetzt, im gegenwärtigen Moment, ist alles einfach so, wie es ist. Achtsamkeit ist wie eine warme Umarmung – du kennst sie doch sicher, die Geborgenheit die sich ausbreitet, wenn jemand, den du liebst, dich in den Arm nimmt oder mit den Fingerspitzen über deine Haut krault.
Du kennst aber noch viel mehr achtsame Momente, in denen du einfach den Zauber des Momentes wahrnimmst, ohne dich vom Sturm deiner Gedanken (obwohl es vielleicht Probleme aktuell gibt) ablenken zu lassen:
- Der Moment, in dem du dein schlafendes Kind beobachtest
- Der Moment im Wald, wenn du endlich abschaltest und über deine Sinne wahrnimmst, wo du jetzt und hier gerade bist, bemerkst, wie schön das Zwitschern der Vögel ist oder das Lau bunter deinen Füßen raschelt
- Der Moment am Meer, wenn du den Sand unter den Füßen, zwischen den Zehen fühlst, das Wellenrauschen hörst, den Wind auf der Haut spürst und das Salzwasser riechst und schmeckst.
Achtsamkeit ist flexibel
Achtsam zu sein heißt nicht, dass du in einer unbequemen Situation über eine Stunde ausharren muss, während du verzweifelt versuchst, einen Zustand von Gedankenlosigkeit (oder was man sonst mit ‚Meditation‘ verbindet) zu erreichen. Im Grunde kannst du achtsam sein, wie du willst und wann du es willst.
Achtsam sein, heißt loslassen
Durch Achtsamkeit erlebst du den gegenwärtigen Moment, so wie er ist. Du hast weniger Anforderungen an diesen Moment und so verringert sich die innere Anspannung durch einen inneren Konflikt. Einem Moment achtsam zu begegnen, bezieht sich vielmehr darauf, die Idee loszulassen, dass der aktuelle Moment oder die Zukunft, etwas BESTIMMTES SEIN muss.
Das kann momentan sehr heilsam sein.
Du BIST nicht dein Gefühl. Du kannst es beobachten, wenn du es akzeptierst, denn: Akzeptanz und Achtsamkeit gehen Hand in Hand.
Jedes Gefühl und jeder Gedanke dürfen da sein, schließlich sind die Gedanken und Gefühle sowieso da. Achtsamkeit lehrt dich, nicht mit deinen Gefühlen oder Gedanken zu kämpfen. Akzeptanz ist ein zentrales Konzept der Achtsamkeit. Sie ermöglicht es dir, deine Gedanken und Gefühle zuzulassen und nicht mit ihnen in den Krieg zu ziehen. Indem du deinen Kampf gegen deine Gefühle und Gedanken aufgibst, sparst du nicht nur Energie, sondern erlebst auch den natürlichen Verlauf von Emotionen und Gefühlen und NUR DAS ermöglicht dir zu erfahren, dass Gefühle und Gedanken von selbst verschwinden. Sie gehen von selbst vorbei. Wenn du sie akzeptierst und ihnen erlaubst, ihren natürlichen Kurs einzuschlagen, stellst du fest, dass die Gefühle und Emotionen weniger intensiv werden und sie möglicherweise sogar schneller verschwinden, als wenn du sie bekämpfst. Du wirst damit ein Beobachter des Gefühls und BIST nicht mehr das Gefühl. Es ist wichtig, diesen Unterschied zu machen, denn DU BIST NICHT DEIN GEFÜHL!
Widerstand ist zwecklos
Untersuchungen zeigen, dass Widerstand und Kampf gegen eigene Gefühle und Gedanken, Konsequenzen haben. Es kommt vor, dass der aktive Versuch, eine Erfahrung zu verringern oder zu kontrollieren, Energie erfordert. Wenn wir beispielsweise versuchen, eine Emotion nicht durch Unterdrückung zu erfahren, führt dies zu einem Energieverlust (Baumeister, Bratslavsky, Muraven & Tice, 1998). Der Nacheffekt ist, dass das Gefühl nicht verschwindet, sondern immer wieder ausgelöst wird. Solange wir einem bestimmten Gefühl widerstehen, wird es weiter existieren. Etwas, mit dem man zu kämpfen hat, kann nur existieren, wenn jemand da ist, der damit zu kämpfen hat. Durch ständiges Be-Kämpfen der eigenen Gefühle/Gedanken/einer Situation bleibt der Konflikt erhalten!
Wenn du versuchst, dir KEINEN rosa Elefanten vorzustellen, dann stellst du dir den rosa Elefant vor.
Indem du auf das fokussierst, was du nicht willst, erschaffst du genau das, was du nicht willst!
Achtsamkeit mit Kindern:
Wir als Familie lieben es, Achtsamkeit mit unseren 3 Kindern zu leben. Wir sprechen mit ihnen aktuell noch nicht über das Konzept der Achtsamkeit. Wir unterstützen sie dabei, Achtsamkeit zu erleben ohne sie ständig durch theoretische Gespräche vom Fühlen ins Grübeln zu katapultieren. Das ist ja genau das Problem von uns Erwachsenen, dass wir gar nicht ins Erleben kommen, weil unser Intellekt ständig aktiv ist.
Wie leben wir Achtsamkeit mit unseren Kindern?
- Wir achten darauf, dass wir ihre achtsamen Momente nicht stören. (Dieser Blogbeitrag gefällt dir vielleicht: Lass dein Kind einfach mal in Ruhe)
- Wir machen Achtsamkeitsübungen für Kinder mit ihnen, wir haben mit ihnen Achtsamkeit in den Alltag etabliert, es ist Teil ihrer Routine, Teil ihrer Gewohnheit, so erhoffen wir uns natürlich, dass sie das auch später beibehalten und ein Werkzeug, eine Ruheinsel haben, auf die sie zurückgreifen können!
- Wir leben es vor: wir üben uns selbst in Achtsamkeit und sie sehen uns manchmal dabei, sie haben also eine Assoziation zwischen uns und meditativen Übungen. Ganz pauschal gesagt, kannst du von deinem Kind hauptsächlich nur ‘Verhalten’ das erwarten, was du ihm auch selbst vorlebst.
Weiter oben habe ich dir gesagt:
‚Sich einem Moment achtsam zu nähern heißt, dass man von eigenen Erwartungen loslässt. Loslassen macht frei.‘
Das ist nicht nur für dich wichtig, es ist auch für dein Kind wichtig, denn viele Konflikte zwischen dir und deinem Kind beruhen auf der Tatsache, dass du deinem Kind DEINE Erwartungen davon, wie etwas zu sein hat, überstülpst. Ein achtsamer Umgang von Eltern mit ihrem Kind, ist also auch wichtig, damit ein Kind sich SELBST erleben und entwickeln kann!
Wow!
Das war jetzt ganz schön viel, ich hoffe es hat dich bis zum Ende gefesselt!
Morgen werden wir, was das Thema Achtsamkeit angeht, noch ein bisschen in die Selbsterfahrung gehen! Ich bin schon sehr gespannt, was du dabei erlebst!
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Deine Dr. Mami