Liebe Mami!
1. Was ist ein Late Talker?
Wenn ein Kind mit 24 Monaten weniger als 50 Wörter spricht und keine Wörter miteinander kombiniert, spricht man von einem Late Talker (= Spätsprecher). Ca. 15% aller Kinde sind vom late talking betroffen. Ihre Sprachentwicklung ist verzögert, obwohl sie sich in anderen Bereichen (z.B. Hören, Motorik) altersentsprechend entwickeln. Late Talker sprechen später oder zeigen immer wieder Phasen des Stillstandes, in denen die Sprachentwicklung stagniert und keine neuen Wörter hinzukommen. Sie verständigen sich im 2. Lebensjahr noch überwiegend durch Geräusche, kindliche Wörter (z.B. „ham, wauwau, gaga“), ihreMimik und Gestik.
2. Wie entwickeln sich Late Talker?
Ein später Sprechbeginn sagt zunächst nichts über die weitere Entwicklung aus. Es gibt Kinder, die ihren Rückstand zwischen dem zweiten und dritten Geburtstag selbstständig aufholen (sog. Late Bloomer – Späterblüher). Mehr als die Hälfte der Late Talker holt jedoch nicht auf; d.h. sie zeigen dann über den dritten Geburtstag hinaus leichte bis hin zu starken Auffälligkeiten in ihren Sprachfähigkeiten (Wortschatz, Grammatik, Aussprache, Sprachverständnis, Erzählfähigkeiten). Ab dem dritten Geburtstag spricht man von einer Sprachentwicklungsstörung (SES). Die betroffenen Kinder haben große Schwierigkeiten mit Anderen zu kommunizieren, was ihre Teilhabe im Alltag einschränkt und ihr emotinales und soziales Wohlergehen gefährdet.
3. Holt mein Kind auf?
Leider kann nicht sicher vorhergesagt werden, welche Kinder ihren sprachlichen Rückstand aufholen und welche nicht. Es spielen verschiedene Faktoren eine Rolle, u.a. das Sprachverständnis, die symbolischen Fähigkeiten, die Aussprache und das Sprachangebot durch die Eltern. Aus diesem Grund ist es sehr wichtig, dass eine Fachperson (Logopädin) die sprachlichen Fähigkeiten eines Late Talkers und das kommunikative Verhalten zwischen Eltern und Kind überprüft. Je früher den betroffenen Kindern geholfen wird, desto besser sind ihre Entwicklungschancen.
4. Aber mein Kind versteht doch alles!
Der überwiegende Teil der Late Talker versteht Sprache gut. 30–40 % haben aber zusätzliche Probleme beim Verstehen von Wörtern oder Sätzen. Leider werden Sprachverständnisprobleme im Alltag oft übersehen. Denn die Kinder lernen zu kompensieren und verstärkt auf den Kontext oder die Mimik und Körpersprache des Gegenübers zu achten. Nur ein standadisierter Sprachverständnistest kann sicher beurteilen, ob ein Kind Sprache tatsächlich ausreichend versteht oder nicht.
5. Warum spricht mein Kind nicht?
Die Ursachen für Late Talking sind bisher nicht eindeutig geklärt. Die Genetik spielt eine Rolle, denn in der Familie gibt es oft Personen, die auch späte Sprecher waren, andere Sprachprobleme oder Lese- Rechtschreibschwierigkeiten zeigen. Kinder unter drei Jahren sind relativ häufig von Mittelohrentzündungen betroffen, aber nicht alle diese Kinder haben Sprachprobleme. Bei Kindern mit Sprachverarbeitungsproblemen wirken sich Hörminderungen jedoch sehr ungünstig aus. Deshalb sollte das Hören bei Late Talkern immer überprüft werden.
6. Verzögert Mehrsprachigkeit die Sprachentwicklung?
Nein, Bilingualität macht keine Sprachstörung! Spricht ein mehrsprachig aufwachsendes Kind mit 24 Lebensmonaten weniger als 50 Wörter (insgesamt in beiden Sprachen), sollte dies ebenso abgeklärt werden.
7. Ist mein Kind nicht intelligent genug?
Late talker haben keine Auffäligkeiten in der Intelligenz, sondern bei ihnen besteht eine spezifische Schwäche in der Verarbeitung von Sprache. Dies äußert sich beispielsweise darin, dass sie sich Wörter nicht gut merken können und Probleme haben sprachliche Regeln zu lernen. Eine verzögerte Sprachentwicklung kann aber auch ein Zeichen für eine allgemeine Entwicklungsverzögerung, Hörstörungen oder andere Grunderkrankung sein. Um dies auszuschließen solltest Du Unsicherheiten früh mit deiner Kinderärztin besprechen.
8. Bin ich Schuld an der Sprachverzögerung meines Kindes?
Nein! Eltern können eine Sprachstörung nicht verursachen. Aber Du kannst großen Einfluss nehmen! Es gibt z.B. Verhaltesweisen, die Kinder in ihrer Sprachentwicklung hemmen und bestehende Probleme verstärken können. Dazu gehört u.a. das Kind zum Nachsprechen aufzufordern, zu viel oder zu wenig zu sprechen sowie Druck oder negative Gefühle beim Sprechen aufzubauen.
9. Mein Kind ist ein Late Talker – wie geht es weiter?
Teile Deine Beobachtungen und Sorge mit Deinem(r) Kinderarzt*ärztin. Auch sollten eine Hörstörung oder andere Grunderkrankungen ausgeschlossen werden. Im Rahmen einer Sprachdiagnostik bei einer Logopädin/ Sprachtherapeutin kann die Sprachentwicklung im Detail untersucht und wenn nötig eine Sprachtherapie und/oder Elternberatung eingeleitet werden.
10. Was kann ich zu Hause tun?
Late Talker benötigen im Alltag mehr Hilfe beim Sprechenlernen. Deshalb sollten Eltern ein gutes Sprachvorbild sein und ihr Kind besonders unterstützen. Dabei ist es wichtig, das eigene Sprachverhalten zu reflektieren; einerseits sprachhemmende Verhaltensweisen zu erkennen und abzubauen und andererseits durch Sprachlehrstrategien die Sprache des Kindes im Alltag zu fördern. In einer gezielten Elternanleitung können Eltern genau das lernen. Die hohe Wirksamkeit von Elternmaßnahmen bei Sprachentwicklungsstörungen ist wissenschaftlich belegt.
Deine Désirée
Dieser Beitrag wurde von Patricia Pomnitz (Logopädin & Therapiewissenschaftlerin, diplomierte Legasthenietherapeutin) verfasst. Auf ihrer Onlineplattform „Sprachgold“ erhalten Eltern fundiertes Wissen und Hilfe rund um das Thema Sprachentwicklung, Sprachstörungen und Sprachförderung.
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